„Das Engagement und die Verbindung nach BiH sind wichtig für ein geeintes und friedliches Europa“

Seit März 2024 ist klar: Bosnien und Herzegowina sind aus Sicht der EU-Kommission bereit für Verhandlungen über den Beitritt des Landes zur Europäischen Union. Der positive Bericht der EU-Kommission sendet ein klares Signal an die Menschen in Bosnien und Herzegowina: Die Europäische Union steht zu ihrem Versprechen, alle Staaten der Westbalkanregion in die EU aufzunehmen. Sie steht an der Seite der Bürgerinnen und Bürger, die sich von der EU-Integration Frieden und Stabilität, mehr Demokratie, eine verlässliche Justiz und die Überwindung von Korruption erhoffen. Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen wird Bosnien und Herzegowina schrittweise tiefgreifende Reformen zur Stärkung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und auf vielen weiteren Gebieten durchführen müssen. Bis das Land eines Tages tatsächlich der EU beitreten kann, ist es noch ein weiter und anspruchsvoller Weg. Die offizielle Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen ist ein wichtiges Signal an die Menschen und die engagierte Zivilgesellschaft in Bosnien und Herzegowina. Sie sind der Motor für Reformen und für eine Zukunft ihres Landes in der Europäischen Union. Insbesondere den vorrangig auf zwischenmenschlichem und kulturellem Austausch basierenden Städtepartnerschaften kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Seit vielen Jahrzehnten unterhalten einige deutsche Kommunen regen Austausch auf unterschiedlichen Ebenen mit Städten in Bosnien-Herzegowina. Schon seit mehr als einem halben Jahrhundert besteht etwa die Partnerschaft zwischen den Städten Friedrichshafen und Sarajevo.  Darüber haben wir mit dem Ersten Bürgermeister der Stadt Friedrichshafen Fabian Müller gesprochen.

Herr Müller, wie äußert sich die Partnerschaft zwischen Friedrichshafen und Sarajevo?

Fabian Müller: Die Städtepartnerschaft zwischen Friedrichshafen und Sarajevo besteht seit 1972. Was einst in wirtschaftlichen Beziehungen über die Firmen Famos und ZF seinen Anfang nahm, ist mittlerweile in freundschaftliche Verbindungen in vielen Lebensbereichen übergegangen. Von Begegnungen der beiden Gemeinderäte über den Schüleraustausch und sportliche Begegnungen bis hin zu Verbindungen im musikalischen und künstlerischen Sektor, um nur einige zu nennen. Die Partnerschaft zwischen Friedrichshafen und Sarajevo ist sehr eng und durch gegenseitige Wertschätzung geprägt.

Wie wird die Städtepartnerschaft gelebt?

Fabian Müller: Bereits seit Beginn der Städtepartnerschaft gibt es regelmäßige Besuch auf allen Ebenen, sowohl im administrativen Bereich als auch im zivilgesellschaftlichen Engagement. Die Schüleraustausche fanden, außer in den Kriegsjahren und während der Coronakrise, seit 1988 regelmäßig statt. 2023 gab es zwei Besuche jeweils in Friedrichshafen und in Sarajevo, um das 50-jährige Partnerschaftsjubiläum zu feiern. Dieses Jahr wird vom Verein Pro Sarajevo wieder eine Bürgerreise organisiert.

Auf welchen Ebenen findet der Austausch statt?

Fabian Müller: Zwischen der Firma ZF in Friedrichshafen und der Firma Famos in Sarajevo bestand schon seit Jahren eine enge und gute Zusammenarbeit. Auf dieser wirtschaftlichen Ebene gab es Kontakte, die schließlich zum Vorschlag seitens Sarajevos geführt haben, eine Städtepartnerschaft zu gründen. Zusätzlich zur Verbindung über den Städtepartnerschaftsverein Pro Sarajevo e. V. und den Austausch zwischen den Schulen gab und gibt es Verbindungen in zahlreichen weiteren Bereichen: Zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Volkshochschulen, der beiden Gemeinderäte, der Gewerkschaften und Parteien. Zwischen Sportvereinen im Bereich Fußball, Handball, Volleyball, Schwimmen, Kegeln und Radfahren sowie kulturellen Gruppen wie Harmonikaorchester, Kammerorchester, Folkloregruppen, Gesangsvereinen, Theatergruppen und der Musikschulen. Zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Messen, Brauereien, Automobilclubs, Tourist-Informationen, Wirtschaftskammern und weiterer Gebiete.

Sowohl Friedrichshafen als auch Sarajevo gelten als bedeutende Gesundheits- und

Klinikstandorte. Gibt es auch auf dieser Ebene Verbindungen?

Fabian Müller: Nach dem Ende des Krieges hat Friedrichshafen mit seiner Unterstützung beim gemeinsamen Wiederaufbau des Gesundheitszentrums „Omer Maslic“ im Bezirk Novo Sarajevo im Jahr 2000 ein beständiges und lebendiges Zeichen der Freundschaft gesetzt. Seitdem wird das Gesundheitszentrum weiterhin regelmäßig durch Spenden und fachlichen Austausch unterstützt.

Was können wir auf deutscher Seite – im Kontext Städtepartnerschaften – tun, um BIH bei den

geforderten Reformen zu unterstützen?

Fabian Müller: Wir als Partnerstadt stehen unseren Freunden bei Fragen rund um das Thema Demokratie gerne unterstützend zur Seite.

Wie profitiert die Stadt Friedrichshafen von der Partnerschaft mit Sarajevo?

Fabian Müller: Friedrichshafen profitiert u. a. stark durch die kulturellen Begegnungen. Bei den Besuchen der Schülerinnen und Schüler aus Friedrichshafen aber auch im Rahmen von Bürgerreisen, kann unsere Bürgerschaft in Sarajevo ein friedliches Zusammenleben der Religionen und eine große Gastfreundlichkeit erleben.

Warum lohnt es sich für deutsche Kommunen, Partnerschaften mit Städten in BIH einzugehen?

Fabian Müller: Das Engagement und die Verbindung nach Bosnien und Herzegowina ist wichtig für ein geeintes und

friedliches Europa.

Gibt es aus Ihrer Sicht Optimierungsbedarf, z. B. Unterstützung von Land und Bund oder

Unterstützung der Partnerschaftsaktivitäten auf bosnischer Seite?

Fabian Müller: Zur Förderung von Städtepartnerschaften sind Förderprogramme, die ohne große bürokratische Hürde genutzt werden können, immer hilfreich. (DEKOM, 02.09.2024) Mehr Infos hier…

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