Klärstufe in Speyer: Pilotbetrieb schafft Grundlagen für spätere Investitionsentscheidung

Seit Anfang des Jahres läuft auf der kommunalen Kläranlage der rheinlandpfälzischen Stadt Speyer ein Pilotprojekt zur Erprobung einer vierten Reinigungsstufe. Bei dem Projekt testen die Entsorgungsbetriebe der Stadt Speyer gemeinsam mit der Firma Zahnen Technik GmbH ein innovatives Verfahren zur Entfernung anthropogener Spurenstoffe aus dem Abwasser. Worum es dabei genau geht und warum eine vierte Reinigungsstufe überhaupt notwendig ist, erklärt Werksleiter Jürgen Wölle von den Entsorgungsbetrieben Speyer im DEKOM Interview: 

Herr Wölle, die EU-Kommunalabwasserrichtlinie sieht die sukzessive Einführung einen vierten Reinigungsstufe auf Kläranlagen vor. Warum braucht es die vierte Stufe eigentlich?

In den letzten Jahren sind die Anforderungen an die Abwasserreinigung kontinuierlich gestiegen. Bis in die zweite Hälfte desvergangenen Jahrhunderts hatte man vor allem den Kohlenstoffabbau im Blick – in den 80er und 90er Jahren sind die Elemination von Nährstoffen, Stickstoff und Phosphor dazugekommen. Jetzt gehen wir sozusagen – nicht zuletzt dank sensiblerer Analyseverfahren – den nächsten logischen Schritt und rücken den Spurenstoffen zu Leibe. Untersuchungen von Ab- und Trinkwässern fördern erhebliche Mengen anthropogener Spurenstoffe zu Tage, die eben nicht vollständig von kommunalen Kläranlagen abgebaut werden können und so in den Wasserkreislauf und letztlich in die Nahrungskette gelangen. Hier reden wir dann von Medikamentenrückständen und Alltagschemikalien.

In Speyer ist das Thema vierte Klärstufe schont seit 2017 auf der Agenda. Vor einem halben Jahr wurde das Pilotprojekt auf den Weg gebracht. Warum hat das so lange gedauert?

Das ist sicher auch ein wenig der Situation in Rheinland-Pfalz geschuldet. Andere Bundesländer sind da schon weiter. Beispielsweise NRW und Baden-Württemberg bauen schon lange Anlagen mit einer vierten Reinigungsstufe. RLP hat in letzten Jahren eine ganz Reihe von Forschungsprojekten gefördert, um eine möglichst effiziente Mittelverwendung beim ggfs. flächendeckenden Ausbau der vierten Reinigungsstufe sicherzustellen.

Wir müssen uns da natürlich absichern und im Vorfeld einige Fragen beantworten. Etwa nach der Gebührenwirksamkeit – bzw. nach der Gebührenfähigkeit – welche Kosten können wir über Abwassergebühren auf die Bürgerinnen und Bürger umlegen?

Nachdem klar war, dass die vierte Reinigungsstufe gebührenfähig ist, haben wir uns beim Land um eine Förderung zur Durchführung einer Machbarkeitsstudie bemüht und diese auch erhalten. Die Studie wird aktuell fertiggestellt und dann unseren Gremien präsentiert.

Vor dem Hintergrund der neuen EU-Kommunalabwasserrichtlinie und deren Umsetzung in nationales Recht werden dann auch noch ein paar Gespräche mit unserer Genehmigungsbehörde notwendig sein.

Warum eine Pilotanlage?

Im Rahmen des vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz geförderten Pilotprojekts geben wir einem rheinland-pfälzischen Technologieunternehmen auch die Möglichkeit, seine Verfahrenstechnik bei uns zu demonstrieren. In unserem Fall handelt es sich um eine sogenannte Aktivkohleadsorptionsstufe – das ist erstmal unspektakulär. Was diese Anlage von anderen unterscheidet, ist der nachgeschaltete Filter. Der basiert auf kleinen Kunststoffbällchen, die im Filterbetrieb zusammengedrückt werden und dadurch ihre Wirkung entfalten. Das ist ein sehr kompaktes Verfahren und deshalb gerade auch für kleine oder mittlere Anlagen sehr interessant, weil es als Containerlösung möglich und das Verfahren leicht skalierbar ist.

Die Ergebnisse des Pilotbetriebs werden wir bei unseren weiteren Planungen berücksichtigen.

Für uns ist die effiziente Verwendung von Gebührengeldern sehr wichtig. Daher versuchen wir eine möglichst gute Grundlage für unsere Investitionsentscheidungen zu schaffen.

Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Filtrationsverfahren. Wie wissen Sie, welches für Ihre Anlage in Speyer passt?

Zunächst muss man die Zusammensetzung des Cocktails aus Medikamentenrückständen und Chemikalien, der uns entgegenfließt, kennen. Da es jedoch unmöglich ist das Abwasser auf alle Spurenstoffe zu untersuchen orientiert man sich an sogenannten Spurenstofflisten, die von den Kompetenzzentren der Bundesländer erarbeitet wurden. Auf Grundlage dieses Screenings können dann Fachplaner Vorschläge für die wahrscheinlich beste Verfahrenstechnik erarbeiten.  Kern einer vierten Reinigungsstufe bildet üblicherweise eine Aktivkohle-Adsorptionsstufe. Die eliminiert relativ unspezifisch Spurenstoffe aus dem Abwasser. Ggfs. kann z.B. zur Verbesserung der Eliminationsleistung oder bei speziellen Spurenstoffen eine Oxidationsstufe vorgeschaltet werden.

Der Bau einer vierten Klärstufe ist vergleichsweise teuer und bedarf erheblicher Investitionen. Wie können Kommunen das stemmen?

Zum einen gibt es in RLP und einigen anderen Bundesländern bereits beachtliche Förderkulissen. Der andere Hebel sind natürlich die Gebühren – auch da wird man über Anpassungen nachdenken müssen – wenn der Zubau einer vierten Reinigungsstufe realisiert werden soll.

Die aktuelle Fassung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie hebt aufs Verursacherprinzip ab…  

Grundsätzlich klingt so etwas erstmal immer gut. Wie sich das dann tatsächlich in der Praxis darstellt, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Wie werden die Kosten an welche Verursacher aufgeteilt? Wo werden die Gelder verwaltet? Wie können durch wen Ansprüche geltend gemacht werden? Wenn man das alles etwas genauer betrachtet, ahnt man schon, welch bürokratisches Ungetüm da aus dem Boden gestampft werden könnte. Wie effektiv und hilfreich das dann tatsächlich ist, wird sich zeigen. Ich bin gespannt. Vielen Dank! (DEKOM, 08.07.2024) Ganzer Artikel hier…

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