Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren vier Gesetze verabschiedet, die zu weniger Bürokratie für die Wirtschaft führen sollten. Die Unternehmen beklagen im Gegenteil eine Zunahme – was bei genauerem Hinsehen nicht so widersprüchlich ist, wie es klingt. Dem Bund zufolge sollten die zwischen 2015 und 2024 verabschiedeten Bürokratieentlastungsgesetze (BEG) zu einer Gesamtentlastung von gut 3,2 Milliarden Euro führen. Tatsächlich sind die Kosten, die sich aus den staatlichen Normen ergeben, laut Bürokratiekostenindex des Statistischen Bundsamts seit 2012 inflationsbereinigt um rund 3 Prozent gesunken.
Trotz mehrerer Entlastungspakete nimmt die Bürokratiebelastung aus Sicht der Unternehmen in Deutschland weiter zu – so hat sich der sogenannte Erfüllungsaufwand zuletzt verdreifacht. Da verwundert es zunächst, dass in der deutschen Wirtschaft die Klagen über eine ausufernde Bürokratie immer lauter werden. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass die Unternehmen gute Gründe haben, nach einem echten Befreiungsschlag zu rufen:
Am 1. Juni gab es in Deutschland insgesamt 4.663 vom Bund erlassene Gesetze und Verordnungen mit fast 97.000 zu befolgenden Einzelnormen. Das waren 21 Prozent mehr als 2010. EU-Verordnungen sind in diesen Zahlen nicht einmal inbegriffen. Und jede zusätzliche Regelung bedeutet für betroffene Unternehmen zusätzlichen Aufwand, um die entsprechende Norm zu verstehen und umzusetzen.
Staatlichen Vorgaben Folge zu leisten, bedeutet nicht nur unmittelbaren administrativen Aufwand. Zusätzliche Kosten entstehen etwa, wenn Unternehmen aufgrund einer neuen Norm ihre Produktionsanlagen erneuern müssen – beispielsweise durch den Einbau neuer Filter zur Emissionsreduktion. Dieser sogenannte Erfüllungsaufwand hat sich seit 2021 auf 14 Milliarden Euro verdreifacht. Mit den bisherigen BEG hat die Politik oft nur Schwellenwerte angehoben, ab denen bestimmte Steuerpflichten gelten, und Vorgänge digitalisiert. Das Anheben von Schwellenwerten ist aber zum Ausgleich der Inflation ohnehin alle paar Jahre geboten – die Unternehmen nehmen diese Maßnahmen daher nicht als Bürokratieabbau wahr. Dasselbe gilt für die gleichfalls zwingende Digitalisierung.
Wirtschaft findet zu wenig Gehör
Zudem ist der Gesetzgeber meist nicht konsequent vorgegangen. Das BEG IV von 2024 etwa hat zwar die Schriftformerfordernisse im Arbeitsrecht vereinfacht, auf eine generelle Digitalisierung von Arbeitsverträgen konnte sich die Regierung aber nicht einigen. Überhaupt schenkt die Politik der Praxis zu wenig Gehör: Von den mehr als 430 Vorschlägen zum Bürokratieabbau, die aus der Wirtschaft kamen, sind nur elf ins BEG IV übernommen worden. IWD, 03.01.2025