Eng vernetzt mit dem extrem- und neurechten Vorfeld und gezielt provozierend mit rassistischem Content: Die Landtagswahlkämpfe der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren von einer hohen Mobilisierung geprägt, auch über die sozialen Medien. Der rechte Bewegungssektor beteiligte sich mit Provokationen auf der Straße und in den Kommentarspalten, rechte Streamer übertrugen Wahlkampfveranstaltungen und führten Interviews mit den Spitzenkandidaten, Telegram diente als zentrale Plattform zur Vernetzung und KI-generierte Memes und Songs bedienten rechtsextreme „Remigrations“-Phantasien. Doch auch wenn die AfD in den Wahlkämpfen stark auf Social Media vertreten war, ist ihr Auftritt dort weit weniger professionell, als häufig vermutet. Zudem zeigen sich deutliche regionale Unterschiede. Das sind zentrale Ergebnisse der Studie „‚Social-Media-Partei AfD?“, die die Otto Brenner Stiftung (OBS) jetzt in Frankfurt am Main veröffentlicht hat. Die Studie von Maik Fielitz, Harald Sick, Michael Schmidt und Christian Donner von der Bundesarbeitsgemeinschaft »Gegen Hass im Netz« analysiert auf breiter Datenbasis die unterschiedlichen Funktionen der Social-Media-Plattformen für die drei AfD-Landtagswahlkämpfe. Im Fokus stehen die landesspezifischen Kontexte der Wahlkämpfe, die digitalen Netzwerke der Partei, die Rolle der Jungen Alternative (JA) sowie das Agenda-Setting der Landesverbände. „Gerade die AfD-Präsenz auf TikTok war dieses Jahr Dauerthema. Doch für die untersuchten Landtagswahlkämpfe zeigt sich: AfD-Accounts fallen häufig durch ihren Amateurismus auf, ihre Inhalte adressieren vor allem ältere Generationen“, sagt Autor Maik Fielitz. Ko-Autor Harald Sick ergänzt: „Einzig in Brandenburg versuchten einzelne Kandidaten, sich als politische Influencer*innen auf TikTok zu inszenieren.“ Im Vergleich der drei Landesverbände zeigen sich deutliche Unterschiede: In Sachsen setzte die AfD wenig Akzente auf Social Media, während der Thüringer AfD-Wahlkampf on- und offline auf Björn Höcke zugeschnitten war, der über Share-Pics genauso in Szene gesetzt wurde, wie durch eine Dokumentation, die ein neurechtes Filmkollektiv produzierte. Am meisten in die Social-Media-Arbeit investierte der Brandenburger Landesverband. Er war über Telegram eng mit dem politischen Vorfeld vernetzt, Abgeordnete wie Lena Kotré teilten über die digitalen Plattformen selbstbewusst rassistische Inhalte. Die Unterstützung von neu- und extrem-rechten Akteuren gab den AfD-Wahlkämpfen einen regelrechten Boost. „Zahlreiche Veranstaltungen der AfD wurden live von rechten Youtubern gestreamt“, hebt Ko-Autor Michael Schmidt hervor. Sein Kollege Christian Donner ergänzt: „Darüber hinaus spielten in den Wahlkämpfen KI-generierte Songs und Memes eine bedeutende Rolle.“ Diese kriminalisierte Migration, stellten Angstszenarien dar, warben offensiv mit „Remigrations“-Plänen und inszenierte die AfD als „Stimme des Volkes“. Häufig wurden die synthetischen Songs und Bilderwelten von rechten Influencern verbreitet, die damit kostenlos für die Wahl der AfD warben. Die Junge Alternative übernahm besonders in Thüringen und Brandenburg eine Schnittstellenfunktion, indem sie weite Teile des rechten Bewegungssektors für den Wahlkampf mobilisierte. In Sachsen hingegen führte die Konkurrenz zu den „Freien Sachsen“ zu einer Schwächung der Position der AfD im rechtsextremen Vorfeld. Die digitalen Manöver der AfD zeigten sich dann als erfolgreich, wenn Medien ihnen überproportionale Aufmerksamkeit schenkten. Jupp Legrand, OBS-Geschäftsführer, weist deshalb eindringlich darauf hin, dass in der Berichterstattung über die Social-Media-Aktivitäten der AfD nicht alte Fehler wiederholt werden dürfen: „Die AfD setzt bewusst darauf, dass ihre rassistischen Positionen medial durch unkritische Berichterstattung reproduziert werden. Journalist*innen müssen sich unbedingt noch sensibler mit dem Content der Partei auseinandersetzen.“ Maik Fielitz ergänzt: „Je öfter die vermeintliche Stärke der AfD auf Social Media betont wird, desto mehr digitales Kapital sammelt sie frei Haus. Doch zumindest für den untersuchten Teil im Osten der Republik bleibt festzuhalten: Die AfD ist hier weit weniger Social-Media-Partei, als häufig kolportiert.“ Es gelte die Gefahren des neu- und extrem-rechten Medienkosmos ernst zu nehmen, ohne die strategisch-kommunikativen Fähigkeiten der AfD zu überhöhen. (OBS, 18.11.2024)