Der ehemalige Staatssekretär und FDP-Bundestagsabgeordnete Thomas Sattelberger fordert seit langem einen zielgerichteten Umgang mit Forschungsgeldern in Deutschland. In der öffentlichen Kritik stehen gerade auch Projekte öffentlicher Unternehmen, die mit staatlicher Förderung eigene Lösungen entwickeln, die es andernorts schon gibt und die auf dem Markt erhältlich sind. Dazu, wie sich kostspielige ineffiziente Doppel- und Mehrfachstrukturen vermeiden lassen, haben wir Thomas Sattelberger drei Fragen gestellt.
DEKOM: Herr Sattelberger, viele Kommunen und öffentliche Unternehmen in Deutschland wollen das Rad offenbar immer wieder neu erfinden und nutzen dafür auch die staatliche Förderkulisse. Warum ist das schädlich?
Thomas Sattelberger: Es ist eine richtige Unsitte nicht nur in der öffentlichen Verwaltung, sondern auch in den außeruniversitären Forschungsinstituten Deutschlands, dass man vorhandenen Unternehmen oder Startups Konkurrenz macht – und sich diese Konkurrenz quasi mit Steuergeldern vom Staat subventionieren lässt, obwohl es die Produkte, Dienstleistungen und Konzepte schon gibt. Ich habe mich schon sehr früh als Oppositionspolitiker damit befasst, als ich aufgedeckt habe, dass beispielsweise Fraunhofer auf unterschiedlichsten Feldern Start-ups, die mit privatem Investorengeld geschaffen und aufgebaut worden sind, das Geschäft verbaut, indem sie deren Entwicklungsarbeit sozusagen duplizieren mit dem Ziel, Konkurrenzprodukte zu schaffen. Das machen teilweise auch öffentlich finanzierte Unternehmen mit etablierten Unternehmen der privaten Wirtschaft. Das verstößt gegen die Prinzipien, dass der Staat im wirtschaftlichen Sektor nicht in Konkurrenz zur Privatwirtschaft treten soll.
DEKOM: Vielfach wird eine Art Melderegister für Forschungsprojekte der öffentlichen Hand gefordert, wäre das eine sinnvolle Lösung oder favorisieren Sie einen anderen Ansatz?
Thomas Sattelberger: Das ist natürlich schwierig zu beantworten, weil eine unbürokratische Lösung das Nadelöhr ist. Allein im Bereich der öffentlichen Verwaltung des Bundes gibt es beispielsweise auf dem Sektor der künstlichen Intelligenz (KI) mehrere hundert KI-Projekte und wenn man die entsprechenden Projekte auf Landes- und Bundesebene dazuzählt, reden wir wahrscheinlich über viele tausende Projekte, die mit Förderaufträgen unterlegt sind und für die Fördergelder fließen. In anderen Bereichen beispielsweise dem Energiesektor sieht es nicht anders aus. Den Aufbau eines Melderegisters halte ich vor diesem Hintergrund vor allem aus zwei Gründen für problematisch: Es schafft zum einen neue Bürokratie und ist zum Zweiten aufgrund der Unmenge an Projekten letztlich nicht kontrollierbar. Das Ganze könnte man aber umkehren, indem festgelegt wird, dass jedes öffentlich finanzierte Unternehmen im Vorfeld eigener Förderprojekte eine Markterkundung durchführen muss, um Doppel- und Mehrfachstrukturen zu vermeiden. Und wenn ein öffentliches Unternehmen dagegen verstößt, kann durch einen Wettbewerber Klage erhoben werden. Ich halte eine solche sanktionsbewehrte gesetzliche Verpflichtung aufgrund ihrer Dezentralität für den besseren Weg als ein zentrales Melderegister – zumal eine Markterkundung öffentliche Unternehmen ja auch klüger macht.
DEKOM: Welche konkreten Schritte können kurzfristig vor einer solchen gesetzlichen Regelung auf welcher Ebene umgesetzt werden?
Thomas Sattelberger: Vergaben werden überwiegend von Städten und Gemeinden durchgeführt – hier bräuchte es einen Code of Conduct – aufgesetzt etwa von den kommunalen Spitzenverbänden – der eine Verpflichtungsklausel für Kommunen enthält, wonach sie bei Beantragung eigener Förderprojekte zunächst den Nachweis führen müssen, keine Unternehmen am Markt gesichtet zu haben, die die benötigten Lösungen bereits anbieten. So etwas ließe sich auch in Vergaberechtsvorschriften fassen und im nächsten Schritt auf Landes- und Bundesebene übertragen. Schließlich müsste auch im Pakt für Forschung und Innovation für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen ein Wettbewerbsverbot, nebst entsprechender Sanktionsmechanismen, für öffentliche Forschungsinstitute mit der privaten Wirtschaft ebenso festgeschrieben werden, wie verbindliche Kriterien für Transferqualität und Transferbeschleunigung. (DEKOM, 11.11.2024)